Qualitätsbeurteilung von Leder

Hochqualitative Erzeugnisse müssen nicht nur vielen funktionsrelevanten Materialanforderungen genügen, sondern auch hervorragende optische Eigenschaften aufweisen. Diese Anforderungen gelten für Leder in besonderem Maße, da Leder meist für visuell ansprechende Produkte eingesetzt wird (z. B. Polstermöbel, Autositze, Lenkräder). Weil Leder ein Naturprodukt ist, sind mögliche qualitätsmindernde Eigenschaften, sogenannte »Oberflächenfehler« vielfältig und
kaum vermeidbar.

Aus diesem Grund wird bei der Lederherstellung entlang der Wertschöpfungskette mehrfach eine Qualitätskontrolle durchgeführt. Diese Oberflächenprüfung ist anspruchsvoll und findet meist als manuelle 100-Prozent-Sichtkontrolle statt. Wir haben Softwaremodule entwickelt, die in Verbindung mit geeigneter Hardware diese Qualitätskontrolle unterstützen bzw. vollständig automatisieren können.

Es sind Module entstanden zur

  • Konturerfassung
  • zur Erkennung von Markierungen
  • sowie zur Detektion und Klassifikation von Fehlern.

Lederstapel
© Fraunhofer ITWM
In der Regel erfolgt die notwendige Sortierung des Hautmaterials im sogenannt Wet-blue Stadium.

Konturerkennungsverfahren für Lederhäute

Eine Kuhhaut hat in etwa eine Größe von 3 m x 3 m, die allerdings hinsichtlich ihrer Geometrie stark variiert. Für den Verarbeitungsprozess ist es wichtig zu wissen, welche Fläche an Leder überhaupt zur Verfügung steht.  

Die Konturerkennung ist wegen der starken natürlichen Schwankungen bei Leder mit einigen Schwierigkeiten verbunden. Wie die meisten Naturprodukte sind Kuhhäute Unikate, weshalb Annahmen über die Form der Häute nicht möglich sind.  

  • Die Farbe von Vorder- und Hintergrund variiert stark.
  • Die Häute werfen Falten.
  • Sie weisen Risse, Löcher und Verfärbungen auf.

Standardverfahren funktionieren nur eingeschränkt. Es wurde deshalb ein spezielles Konturerkennungsverfahren für Lederhäute entwickelt. Hierbei werden die Bilder der Farbkamera zunächst in einen speziellen Farbraum transformiert, der einen kontrastreichen zweidimensionalen Unterraum (»Grauwertbild«) aufweist. Eine morphologische Konturrekonstruktion erfolgt unter der Annahme, dass sich der Bildmittelpunkt innerhalb der Haut befindet. Dadurch werden die Grauwerte, die dem Mittelpunkt ähnlich sind, verstärkt.


Im nächsten Schritt kann dann ein adaptiver Schwellwert berechnet werden, mit dessen Hilfe der Vordergrund vom Hintergrund getrennt wird. Um eine grundsätzliche Stetigkeit der Kontur zu erreichen und Ausreißer zu eliminieren, werden weitere morphologische Operationen durchgeführt, zum Beispiel die Wasserscheidentransformation zur Detektion von zusammenhängenden Bereichen. Auf diese Weise entsteht eine stabile Segmentierung der Lederstücke mit einem hohen Grad von Regularität, die weitgehend unabhängig von der aktuellen Farbe der Haut und des Hintergrunds ist.

Originalbild Lederhaut
© Fraunhofer ITWM
Originalbild Lederhaut
Erfasste Kontur der Lederhaut
© Fraunhofer ITWM
Erfasste Kontur der Lederhaut

Detektion manuell aufgebrachter Markierungen

Vollautomatische Systeme zur Fehlerdetektion sind bisher kaum im Einsatz.  Als Alternative ist das manuelle Aufbringen von Markierungen an den Fehlerstellen weit verbreitet. Diese Markierungen können durch vergleichsweise einfache Kamerasysteme digitalisiert und der anschließenden Zuschnittoptimierung zugeführt werden. Trotzdem ist – aus ähnlichen Gründen wie bei der Konturerfassung – die automatische Erkennung der Markierungen mit einigen Schwierigkeiten verbunden.

Um festzustellen, mit welcher Farbe im Bild die Markierungen aufgebracht worden sind, und welche Farbe der unmarkierten Lederhaut entsprechen, wird zunächst der Farbgradient des Bildes mithilfe einer Eigenwertzerlegung ermittelt. In der Regel ist es hierdurch möglich, einen globalen Schwellwert zur Trennung von Markierung und Hintergrund (Leder) zu finden. Allerdings können hierbei aufgrund der inhomogenen Lederstruktur eine Reihe von Pseudomarkierungen entstehen. Das heißt, Bereiche werden als Markierungen erkannt, sind jedoch in Wirklichkeit Lederstruktur. Diese Übersegmentierung wird durch ein anschließendes Hystereseverfahren eliminiert. Eine morphologische Skelettierung liefert die Vektorisierung der Markierungen, die abschließend zur Weiterverarbeitung im Prozess in Polygonzüge umgewandelt werden.

Lederhaut mit markierten Fehlern
© Fraunhofer ITWM
Lederhaut mit verschiedenen händisch markierten Fehlerregionen und Resultat der Erkennung.

Automatische Fehlererkennung

Wegen der stetig steigenden Qualitätsanforderungen und der wachsenden Leistungsfähigkeit der Bildverabeitungssysteme wird sich in Zukunft die automatisierte Prüfung mehr durchsetzen.

Der Aufbau eines solchen Prüfsystems variiert je nach Produkttyp und Anforderungen. Typischerweise kommen zwei bis vier Zeilenkameras mit Spezialobjektiven und ebenso vielen Beleuchtungen zum Einsatz. In der Regel arbeitet eine Kamera im Auflicht und die anderen Kameras im Dunkelfeld, wobei Richtung/Winkel und Farbe der Beleuchtung variieren. Wegen der großen Datenmenge (je nach Konfiguration einige Gigabyte pro Haut) wird eine leistungsfähige Auswerteeinheit benötigt. Diese Anforderungen werden derzeit am besten von PCs mit Mehrkernprozessoren erfüllt.

Bei texturierten Oberflächen (wie bei Leder der Fall) ist eine robuste Auswertealgorithmik von entscheidender Bedeutung. Grob lässt sich die Auswertung in die folgenden vier Schritte unterteilen:

  1. Vorverarbeitung
  2. Fehlerdetektion
  3. Clustering
  4. Fehlerklassifikation

1. Vorverarbeitung

1. Vorverarbeitung

Die Hauptschwierigkeit bei der Fehlerdetektion auf Lederoberflächen liegt in der unregelmäßigen natürlichen Struktur des Leders. Um erlaubte von unerlaubten Unregelmäßigkeiten zu unterscheiden (z. B. Venen von Kratzern), werden aufwendige Vorglättungsschritte benötigt. Dies erlaubt in nachfolgenden Schritten eine leichtere Detektion dieser Fehler und erhöht die Robustheit gegenüber Störungen in den Daten (z. B. Rauschen). Zum anderen kommen Schockfilter zur Anwendung, die Oberflächenfehler im Bild nicht nur erhalten, sondern sogar verstärken.