Wenn es schwierig ist, ist es ein Fall für Dovilė

Dieser Artikel stammt aus unserem Buch »Forscherinnen im Fokus – Wir schaffen Veränderung«

Erinnert sich Dr. phil. Dovilė Čibiraitė-Lukenskienė an ihre Anfänge zurück, wird ihr vor allem eines bewusst: Sie liebt die Herausforderung! Das war schon in der Schule so, als eine Lehrerin ihr vom Physikstudium abriet: »Das ist zu schwierig!« 

»Challenge accepted!« Dovilė trat den Gegenbeweis an und studierte an der Vilnius Universität in Litauen »Physik und Management der modernen Technologien«. Dem Bachelorabschluss folgte der Master – von wegen »zu schwierig«! Zufrieden war sie deswegen aber noch lange nicht: Die Promotion sollte dem Ganzen die Krone aufsetzen. Dafür ging Dovilė mit Marie-Curie-Stipendium nach Deutschland und machte an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main ihren Dr. phil.! Auf das Erreichte ist Dovilė stolz: »Ich habe nie bereut, welchen Weg ich gegangen bin. Ich wusste, dass es schwierig wird, aber ich wusste auch, dass nichts interessanter für mich ist.« Diesem Prinzip folgt sie bis heute: Sie macht, was schwierig ist, wenn es interessant und etwas Neues für sie ist. 

Forschungsreisen sind keine Unterbrechung

Was nach einer geraden Linie und steilen Karriere aussieht, ist es auch. Doch um dieses Ziel zu erreichen, hat sich Dovilė nicht nur hinter ihren Büchern versteckt. Im Gegenteil: Jede Gelegenheit, die sich ihr zum Reisen bot, nutzte sie und stellte die Chancen für sich in den Fokus. Der Erfolg gibt ihr Recht. Ein viermonatiger Erasmus-Aufenthalt in Hannover, weitere drei Monate in Frankfurt am Main, Forschungsaufenthalte in Madrid und Dublin und jetzt die Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik ITWM in Kaiserslautern – das hat sich gelohnt! Denn all ihre Erfahrung, sagt sie, mache sie kreativer und offener für neue Ideen. 

Dr. phil. Dovilė Čibiraitė-Lukenskienė im Labor
© Fraunhofer ITWM
Dovilė hat drei Jahre am Fraunhofer ITWM in Kaiserslautern als engagierte Forscherin verbracht. Heute bringt sie ihr Wissen und ihre Expertise als wissenschaftliche Forscherin am Zentrum für physikalische Wissenschaften und Technologie (FTMC) in ihrem Heimatland Litauen ein.

Mit Spaß bei der Sache

Was es dafür ihrer Meinung nach unbedingt braucht, ist die Freude an der Sache. Ihr Interesse an der Echtzeitbildgebung im Bereich der Millimeterwellen und Terahertz-Strahlung war es, welches sie zu Fraunhofer geführt hat; ihre Neugier und ihre Vernetzung der Vorjahre hilft ihr bis heute bei der Zusammenarbeit mit den Kolleg:innen. »Wenn die Arbeit keinen Spaß macht, ist es vielleicht nicht das Richtige«, sagt sie. Deswegen den Kopf in den Sand stecken? Nicht, wenn es nach Dovilė geht. »Selbst wenn es schwierig ist, einen neuen Weg einzuschlagen, würde ich es immer tun. Man sollte seiner Leidenschaft folgen!« 
 

Einsatz für die Chancengleichheit

Dovilė macht kein Geheimnis daraus, dass sie auch in Zukunft hart arbeiten muss, um ihre Ziele weiter zu erreichen. Das gilt auch für ihre heutigen und künftigen Kolleg:innen, die den Weg der Wissenschaft für sich wählen. Damit weder ein selbstgewählter (Um-) Weg noch das Geschlecht dabei eine Rolle spielen, hat Dovilė sich an ihrem Institut zur Beauftragten für Chancengleichheit (BfC) wählen lassen. Gemeinsames Ziel aller Institute ist es, den Anteil weiblicher Beschäftigter in der angewandten Forschung zu erhöhen und die Chancengleichheit von Frauen und Männern in der Fraunhofer-Gesellschaft zu stärken und zu fördern. »Challenge accepted!«

Auf der richtigen Wellenlänge

Die Arbeit von Dovilė und ihren Kolleg:innen der Abteilung »Materialcharakterisierung und -prüfung« hilft der Industrie dabei, ausschließlich funktionsfähige und einwandfreie Produkte in Umlauf zu bringen. Wesentlich dafür sind elektromagnetische Wellen, die die sogenannte zerstörungsfreie Prüfung ermöglichen. 

Dafür setzen die Wissenschaftler:innen unterschiedliche Methoden und Verfahren ein. In Dovilės Fall handelt es sich um Echtzeitbildgebung mittels Terahertz-Strahlung, die zwischen der Infrarotstrahlung und den Mikrowellen angesiedelt ist. Diese war lange Zeit nur sehr schwer zu erzeugen. Bis heute gilt das Herstellen von Sendern und Empfängern als Herausforderung – besonders dann, wenn sie auch noch kompakt und möglichst sparsam sein sollen. Gelingt es dennoch, sind die Anwendungen der Strahlung in verschiedenen Bereichen möglich.

Vom Recycling bis zu Weltraumfahrten

Die Einsatzbereiche der bildgebenden Verfahren sind dabei sehr vielfältig. Dovilė ist interessiert an klimafreundlichen Problemlösungen mithilfe der Terahertz-Strahlung, sei es für den Weltraum oder den Umgang mit Sperrmüll: Wiederverwendbare Raketen oder Holz als Rohstoff – alles hilft, die limitierten Ressourcen unserer Erde zu schonen.

Um ohne Berührung herauszufinden, ob Sperrmüll für die weitere Nutzung geeignet ist, setzen Dovilė und ihre Kolleg:innen von unterschiedlichen Instituten der Fraunhofer-Gesellschaft die visuelle, Nah-Infrarot-, Thermographie- und Terahertz-Bildgebung ein. Verschiedene Sensortechnologien detektieren unterschiedliche Eigenschaften der Stoffe, ohne sie zu beschädigen.

Die aufgenommenen Bilder gehen dann weiter an das Karlsruher Institut für Technologie (KIT), genauer an das Institut für Industrielle Informationstechnik (IIIT). Dort bearbeiten die Forschenden die Daten und trainieren Neuronale Netze. So lernt das System Stück für Stück allein zu erkennen, welches Material für einen Zweiteinsatz geeignet ist und welches nicht. Das Ziel: Die KI so trainieren, dass die unterschiedlichen Materialien direkt sortiert werden, sodass zum Beispiel Holz und Buntmetalle wieder in den Verwertungskreislauf geschickt werden können.

Am Institut zählen Theorie und Praxis

Am Fraunhofer ITWM wird konsequent geforscht, um die Terahertz-Strahlung mit ihren heutigen Methoden, Verfahren, Sendern und Empfängern immer weiter zu verbessern und so noch für viele weitere Einsatzbereiche unverzichtbar zu machen. Neben der Theorie zählt die Praxis: Die Forschenden beraten Unternehmen, führen Eignungsprüfungen und Machbarkeitsstudien durch, übernehmen Auftragsmessungen, entwickeln Software sowie Hardware und bauen sowohl einzelne Komponenten als auch Gesamtsysteme, die für die Materialprüfung erforderlich sind. So bleibt es immer spannend und genau richtig für Dovilė, die heute zahlreiche Projekte mit Kund:innen oder anderen Instituten federführend vorantreibt.