Simulation nach Maß – Softwarepaket für die Batch-Destillation

Simulieren und Optimieren dynamischer Prozesse in der chemischen Verfahrenstechnik

In vielen Industrieprozessen schlummert noch unentdecktes Verbesserungspotenzial – etwa was die Ausbeute eines Zielprodukts und den dazu benötigten Aufwand an Energie angeht. Dieses Potenzial aufzuspüren, ist gerade in Zeiten knapper Ressourcen von entscheidender Bedeutung. Wir entwickeln verlässliche, leicht bedienbare und individuell zugeschnittene Software zur Simulation und Optimierung von dynamischen Prozessen in der Verfahrenstechnik. Unsere Softwareprodukte erlauben es, interaktiv Verbesserungspotenzial zu entdecken und unterstützen dabei, die optimale Lösung zu finden.  

 

Software für die Batch-Destillation

Ein Team aus den Abteilungen »Optimierung – Technische Prozesse« und »Transportvorgänge« entwickelt ein Softwarepaket für die Simulation und Optimierung von Batch-Destillationsprozessen bei Industrieunternehmen. Batch-Destillationen –  auch Chargendestillationen genannt –  kommen zum Einsatz, um hochreine Chemikalien aus relativ kleinen Chargen eines Ausgangsgemischs herzustellen. Zu diesem Zweck wird das Ausgangsgemisch in den Sumpf einer Destillationskolonne gefüllt und dort erhitzt. Aufgrund der unterschiedlichen Siedetemperaturen der einzelnen Stoffe verdampfen diese unterschiedlich schnell und gelangen so unterschiedlich schnell in den Kondensator am Kopf der Kolonne. In diesem wird das ankommende dampfförmige Stoffgemisch wieder verflüssigt und dann teils in verschiedene Fraktionsbehälter abgezogen, teils in die Kolonne zurückgeführt. 

Schemazeichnung einer Chargendestillationskolonne
© Fraunhofer ITWM
Schemazeichnung einer Chargendestillationskolonne mit dem beheizten Sumpf unten, dem Kondensator am Kolonnenkopf und den Stufen zwischen Sumpf und Kopf, in denen Flüssig- und Dampfphase(n) im thermodynamischen Gleichgewicht stehen. Das im Kondensator verflüssigte Stoffgemisch wird zum Teil abgezogen und in – hier drei – Fraktionsbehältern gesammelt und zum Teil in die Kolonne zurückgeführt.

Dynamisches Simulationsmodell

Chargendestillationsprozesse sind sehr dynamisch. Das heißt, die Stoffzusammensetzungen, Temperaturen, Drücke und Ströme in der Destillationskolonne können sich sehr schnell und plötzlich ändern. Um solche schnellen Änderungen angemessen zu beschreiben, braucht es ein dynamisches Simulationsmodell. Welche Aspekte dabei genau berücksichtigt werden und welche nicht, entscheiden wir immer in enger Abstimmung mit unseren Industriepartnern. Allgemein gilt: Das Simulationsmodell sollte so grob und einfach wie möglich und nur so fein wie nötig sein. Im genannten Beispiel war es unseren Projektpartnern besonders wichtig, dass das Simulationsmodell – über die üblichen Dampf-Flüssig-Gleichgewichte hinaus – auch Flüssig-Flüssig-Gleichgewichte abbildet. Reaktionen im Sumpf der Kolonne oder Fest-Flüssig-Gleichgewichte hingegen sollten zunächst nicht mitmodelliert werden. 

Simulationsmodul als Kern des Softwarepakets

Unser Simulator erlaubt es, die Stoffzusammensetzungen, Temperaturen, Drücke und Ströme in der Destillationskolonne zu jeder beliebigen Zeit vorherzusagen, und zwar in Abhängigkeit der Kolonnengeometrie, der Anfangszusammensetzung des Sumpfgemisches und in Abhängigkeit der verschiedenen Steuergrößen wie beispielsweise der Verdampferheizleistung oder der Rücklaufverhältnisse vom Kondensator in die Kolonne. Die Spezifikation dieser Stell- und Steuergrößen erfolgt bequem über eine grafische Benutzeroberfläche. Implementiert ist unser Simulator in der performanten Sprache C++. Die Implementierung baut auf einer Version des Simulators auf, die schon für die Simulation anderer dynamischer Netzwerksysteme erfolgreich eingesetzt wurde, nämlich für Strom- und Fernwärmenetze.  

Abgesehen von diesem grundlegenden Simulationskern enthält unser Softwarepaket auch zwei Optimierungsmodule:

  • eines zur Stoffparameterschätzung
  • eines zur optimalen Steuerung des Chargendestillationsprozesses
Vorhergesagte Zusammensetzung für ein Stoffgemisch
© Fraunhofer ITWM
Von unserem Simulator vorhergesagte Zusammensetzung des am Kolonnenkopf abezogenen Destillats für ein 7-komponentiges Stoffgemisch. Wie man sieht, kommt es bei diesem System zu sehr plötzlichen Änderungen der Zusammensetzung. Außerdem entsteht während der Destillation eine zweite Flüssigphase – am Anfang und am Ende hingegen gibt es nur eine Flüssigphase im Destillat.

Schätzung von Stoffparametern

Das erste Optimierungsmodul erlaubt es, unbekannte oder nur ungenau bekannte thermodynamische Stoffparameter zu schätzen, die dem Chargendestillationsprozess zugrunde liegen. Zu diesem Zweck passt ein externer Optimierer die Stoffparameter so an, dass die Vorhersagen unseres Simulationsmodells den experimentell gemessenen Werten so nahe wie möglich kommen. Die Wahl der zu optimierenden Stoffparameter und der experimentellen Vergleichsgrößen erfolgt über die Benutzeroberfläche. 

Optimale Spezifikation von Steuergrößen

Das zweite Optimierungsmodul ermöglicht es, die Steuergrößenprofile des betrachteten Chargendestillationsprozesses so einzustellen, dass gewisse nutzerdefinierte Ziele bestmöglich erreicht werden und dabei gleichzeitig gewisse Nebenbedingungen streng eingehalten werden. Steuergrößen sind beispielsweise die Rücklaufverhältnisse vom Kondensator in die Kolonne oder die Fraktionsgrenzen. Ziele können sein die Maximierung der Zielproduktausbeute, die Minimierung der Abfallproduktmenge, die Minimierung der Gesamtenergie oder die Minimierung der Gesamtdestillationszeit, und eine typische Nebenbedingung ist, dass die Reinheit des Zielprodukts in der Hauptfraktion mindestens 95 Prozent betragen muss. 

Grafische Benutzeroberfläche zur Analyse der Simulations- und Optimierungsergebnisse

Die grafische Benutzeroberfläche ermöglicht nicht nur eine sehr einfache und nutzerfreundliche Definition der zu lösenden Simulations- und Optimierungsprobleme. Die Nutzenden können die berechneten Simulations- und Optimierungsergebnisse auch visuell analysieren. Insbesondere erlaubt sie einen einfachen Vergleich verschiedener optimaler Lösungen und die Wahl einer für die aktuelle Zielsetzung besten Lösung.