Hybrider digitaler Zwilling zur Optimierung von Kunststoffverarbeitungsprozessen

Projekt HyTwin: Hybrides Rückwärtsrechnen für die Kunststoffindustrie

Im Fraunhofer-internen Projekt HyTwin entwickelt das ITWM-Team um Dr. Alex Sarishvili gemeinsam mit Forschenden des Fraunhofer-Instituts für Chemische Technologie ICT einen hybriden digitalen Zwilling. Dieser unterstützt mit Methoden des Machine Learnings (ML) Unternehmen bei der Optimierung und Regelung ihrer Kunststoffverarbeitung, genauer ihrer Extrusionsprozesse.

Extruder, Additive, Doppelschnecke, Düse – das sind alles Fachbegriffe aus der Welt der Kunststoffe, dabei gibt es natürlich viele komplexe Varianten der Produktion. Der Prozess der Extrusion ist aber allen gemein. Hier wird Kunststoff als zähe Masse unter hohem Druck und hoher Temperatur durch eine formgebende Öffnung gepresst. Am Ende erhält das Unternehmen als Produkt zum Beispiel Wärmedämmplatten oder Plastikgranulat für die Weiterverarbeitung zu PET-Flaschen oder zu Rohren aus Kunststoff. »Die Extrusion ist ein physikalisch-chemisch hoch komplexer Prozess, bei dem hunderte Parameter eine Rolle spielen und der dementsprechend schwer zu modellieren und optimieren ist«, erklärt Sarishvili. Fast alle zum Produkt weiterverarbeiteten Kunststoffe durchlaufen einen solchen Schritt in der Prozesskette.

Diese zu optimieren bedeutet in der Kunststoffindustrie nach wie vor oft mit Hilfe von »Try and Error« zu testen, wie durch Variation von Einzelparametern die Qualität eines Produkts verbessert und optimiert werden kann. Notwendige Materialkennwerte werden für jede Materialmischung des realen Prozesses neu bestimmt und getestet. Das ist aufwändig und kostenintensiv.

Dem Fraunhofer ICT steht ein modern ausgestattetes Technikum mit Doppelschneckenextrudern von 16 – 43 mm sowie vielseitigen Dosiermöglichkeiten zur Verfügung.
© Fraunhofer ICT
Dem Fraunhofer ICT steht ein modern ausgestattetes Technikum mit Doppelschneckenextrudern von 16 – 43 mm sowie vielseitigen Dosiermöglichkeiten zur Verfügung.

Smart modelliert und rückwärts gerechnet

Computersimulationen bzw. digitale Zwillinge bieten die Möglichkeit, nahezu den gesamten Extrusionsprozess simulationsgestützt zu optimieren. Das Projekt-Team setzt dabei auf einen hybriden Ansatz: Sie entwickeln einen sowohl datenbasierten als auch modellbasierten digitalen Zwilling, der unter Einsatz von KI prognostiziert und optimiert. Im besten Falle denkt dabei der digitale Zwilling das Ende zuerst und rechnet rückwärts: Welche Produkteigenschaften bzw. Qualität möchte ich und was muss ich dafür an Parametern einstellen? Machine-Learning-Verfahren brauchen, wenn sie gut funktionieren sollen, massenweise Daten. Zu Beginn entstanden im Projekt deshalb zunächst reale Versuchsdaten im Fraunhofer ICT. Sie werden auf ein physikalisch-chemisches Prozessmodell adaptiert und damit eine Datenwolke aus Mess- und Simulationsdaten generiert. Daraus lernt dann die KI.

Die Rolle des Fraunhofer ITWM und Ausblick

Die Expertise der Forschenden am Fraunhofer ITWM liegt besonders in der mathematischen Modellbildung und Simulation technischer Prozesse. »Seit vielen Jahren werden auch Verfahren des (tiefen) Maschinellen Lernens (Deep Learning) bei uns entwickelt. Wir sind zuständig für smarte Algorithmen« so Sarishvili. Dabei ist z. B. das Software-Tool Design zur Qualitätsprognose entstanden, das wesentliche Funktionen zur Erstellung einfacher datenbasierter Modelle z. B. für Extrusionsprozesse zur Verfügung stellt.

Im Ergebnis soll der digitale Zwilling dann u.a. höhere Produktionsgeschwindigkeiten, mehr Flexibilität und höhere Produktqualität bei möglichst geringen Kosten realisierbar machen. Und nicht nur das, am Ende des Projektes steht das Ziel einer gut bedienbaren Software-Plattform, die auch bei kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) zum Einsatz kommt.

Außerdem gibt es schon nächste Vorhaben des Teams: Ein weiteres Projekt gefördert vom Land Rheinland-Pfalz mit Mitteln des Europäischen Fonts für regionale Entwicklung (EFRE) mit dem Namen ENERDIG läuft gerade an. Hier steht die Ermittlung und das Optimieren der energetischen Flexibilität des Extrusionsprozesses im Fokus.

Projektpartner

Am Projekt Hytwin arbeiten wir gemeinsam mit dem Fraunhofer ICT.

 

Projektlaufzeit

Das Projekt ist auf drei Jahre angelegt von 2020 bis 2023.