UrWerk – Werkstoffdatenräume für die Produktentwicklung

Projekt UrWerk: Unternehmensspezifische Werkstoff(system)datenräume zur beschleunigten Produktentwicklung

In Zeiten der Digitalisierung setzen Unternehmen auch in der Produktentwicklung auf moderne Methoden der Datenanalyse und des Maschinellen Lernens. Bekannte Softwarewerkzeuge (aus den Bereichen CAD und CAE) werden so weiterentwickelt und erweitert. Das virtuelle Testen der Produkteigenschaften benötigt allerdings hochwertige und ausreichend viele Werkstoffdaten. Dazu gehören unter anderem die mechanischen Eigenschaften einzelner – aber auch kombinierter – Werkstoffzustände und Bauteile sowie Informationen zu deren Herstellung. 

Im Fraunhofer-Projekt UrWerk entwickeln wir gemeinsam mit zwei weiteren Fraunhofer-Instituten Datenräume, welche die Historie von Werkstoffen sowie deren Wechselwirkungen in komplexen Werkstoffsystemen übersichtlich in Form von Graphen abbilden und die Ankopplung von Analysewerkzeugen ermöglichen. Diese Datenräume werden unternehmensspezifisch angepasst und bieten so einen einfachen Zugang zum Umgang mit Werkstoffdaten.

The distribution of tasks and the cooperation of the Fraunhofer Institutes involved in the UrWerk project.
© Fraunhofer IWM / Flavicon
Die Aufgabenverteilung und das Zusammenwirken der beteiligten Fraunhofer-Institute im Projekt UrWerk.

Maßgeschneiderte Datenräume und Ontologien schaffen digitalen Zusammenhang

Wir möchten unser Projekt möglichst praxisnah gestalten und erfassen in der Orientierungsphase zunächst die Kundenanforderungen an einen Datenraum für Werkstoffe. Somit nehmen wir individuelle Wünsche bereits auf und beziehen sie später in der Entwicklung mit ein. Gleichzeitig recherchieren wir geeignete Methoden zur Ablage, Analyse und dem Nutzen der Daten sowie Ontologien zum Aufbau des Datenraums und entwickeln diese Ansätze für unsere Zwecke passgenau weiter.

 

Bei der Entwicklung und Implementierung des Konzepts stehen folgende Schwerpunkte im Fokus:

  • Software-Framework für die User Interaktion im Datenraum
  • Datenanalyse-Werkzeuge  – wie Design of Experiments (DoE) oder Maschinelles Lernen (ML)
  • Interaktives User-Interface für die Datenanalyse 

Je nach Anwendungsfall und Unternehmen passen wir die Datenräume individuell an und richten sie beim Kundenunternehmen vor Ort ein.

Unsere Aufgaben und Kompetenzen im Projekt

Die Aufgabenverteilung und das Zusammenwirken der drei beteiligten Fraunhofer-Institute richten sich nach ihren Kernkompetenzen. Wir konzentrieren uns auf die folgenden Schwerpunkte, Methoden und Bereiche:

  • Modellierung, Simulation und Experimente zu Kabeln und Schläuchen (Software IPS Cable Simulation, Messmaschine MeSOMICS®)
  • Methoden zur statistischen Analyse der vorhandenen Daten: Erweiterung von klassischen Methoden aus dem Bereich der statistischen Datenanalyse und Data Mining
  • Methoden zur datenbasierten Vorhersage von Werkstoffsystemeigenschaften (Greybox-Modellierung), d.h.: Anpassung und Erweiterung klassischer Modellstrukturen zur dynamischen Systemidentifikation (Maschinelles Lernen, Neuronale Netze etc.) sowie deren Erweiterung in Kombination mit physikalischen Modellbeschreibungen
Mit unserem Tool IPS Cable Simulation lassen sich die vielen unterschiedlichen Kabel, welche beispielsweise in Autos eingesetzt werden, simulieren.
© Volvo Cars und Fraunhofer-Chalmers Research Centre
Mit unserem Tool IPS Cable Simulation lassen sich die vielen unterschiedlichen Kabel, welche beispielsweise in Autos eingesetzt werden, simulieren.

Anwendungsbeispiele des Datenraums

Wir möchten den Mehrwert von Werkstoff(system)datenräumen in der Praxis demonstrieren und verdeutlichen den Nutzen anhand von Anwendungsbeispielen. Die Vorhersage stützt sich in beiden Demonstratoren auf eine große und komplexe Menge an Daten. Im Fokus stehen hier nicht nur klassische Materialeigenschaften, sondern auch Werkstoffsysteme, in denen komplexe, interne Wechselwirkungen der einzelnen Bestandteile Eigenschaften und Verhalten der Bauteile maßgeblich beeinflussen.

Bauteile aus höchstfestem Stahl

Bei Lager- und Getriebebauteilen aus höchstfestem Stahl, die ohne Inspektion betrieben werden (wie beispielsweise in Windkraftanlagen) sind Vorhersagen der Werkstoffermüdung von großer Bedeutung. Die Vorhersage stützt sich dabei auf viele Daten und durch die Komplexität sind bisher keine Regelwerke verfügbar. Durch unseren Datenraum kann eine verlässliche Vorhersage getroffen und Zustände mit optimalen Ermüdungseigenschaften vorgeschlagen werden.

Hochvoltkabel für die Elektromobilität

Bereits heute sind in einem Auto mehrere hundert unterschiedliche Kabeltypen verbaut. Die Entwicklung und Absicherung der Kabel erfolgt überwiegend mit CAE-Softwaretools, benötigt jedoch zu den einzelnen Kabeln Informationen wie Geometriedaten und mechanische Eigenschaften. Gerade für die Eigenschaften wie Steifigkeit, Reibung oder Dämpfung stehen oft nicht genug Informationen zur Verfügung und die experimentelle Ermittlung ist aufgrund der Typenvielfalt aufwändig. Daher entwickeln wir eine Methodik, die für das Werkstoffsystem relevante Eigenschaften mittels eines geeigneten Datenraums vorhersagt.

Beispiel Hochvoltkabel

Im Gegensatz zu konventionell angetriebenen Fahrzeugen fließen durch E-Autos weitaus höhere Spannungen. Dazu sind Hochvoltkabel nötig, wie unten abgebildet: die beiden Leitungsquerschnitte gehören zu Kabeln mit Kupfer- bzw. Aluminiumlitzen. Obwohl die Stromleitungseigenschaften der beiden Kabel gleich sind, unterscheiden sie sich in den mechanischen Eigenschaften erheblich. Im Kupferkabel (links) liegen im Querschnitt sehr viele Kupferlitzen mit sehr kleinem Durchmesser, im Alukabel (rechts) sind es deutlich weniger Litzen mit größerem Durchmesser. Auch die Verflechtung ist in beiden Kabeln unterschiedlich. Bei gleicher Verformung des Kabels durch Biegung und/oder Torsion beobachtet man auf Grund der unterschiedlichen Materialeigenschaften von Kupfer und Aluminium als auch wegen der unterschiedlich intensiven Kontaktwechselwirkung der Litzen ein unterschiedliches Steifigkeitsverhalten der beiden Kabel. Mit den in UrWerk entwickelten Methoden wird es möglich, solche Effekte vorherzusagen und diese anschließend z.B. in einer Simulation der Kabelmontage zu berücksichtigen.

Hochvoltkabel
© Fraunhofer ITWM
Der Antrieb von Hybrid- und Elektrofahrzeugen ist verbunden mit Hochvolt-Leitungen und Hochvolt-Verbindungstechniken. Die Verbindungstechniken müssen auf hohe Stromstärken ausgelegt und zugleich einfach zu handhaben sein. Die Systeme sind komplex und Anforderungen an die Zuverlässigkeit der einzelnen Komponenten und deren Schnittstellen sind hoch.
Hochvoltkabel
© Fraunhofer ITWM
Im Gegensatz zu konventionell angetriebenen Fahrzeugen fließen weitaus höhere Spannungen durch E-Autos. Dazu nötig sind Hochvoltkabel.