Wie wir die Karriere von Frauen unterstützen

03.07.2020

Das Fraunhofer ITWM bietet mit einer Kindertagesstätte direkt am Institut, einem Mit-Kind-Büro für Betreuungsengpässe und flexiblen Arbeitszeitmodellen seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine hilfreiche Unterstützung, um Familie und Beruf zu vereinbaren. Neben der wissenschaftlichen Exzellenz und den persönlichen Entwicklungsmöglichkeiten spielen diese Voraussetzungen für eine individuelle Work-Life-Balance eine Rolle für den stetig steigenden Frauenanteil am Institut. Die Abteilung Finanzmathematik sticht mit einem Anteil von 50 Prozent an weiblichen Mitarbeitenden hervor.

Die Mitarbeitenden der Finanzmathematik entwickeln und setzen mathematische und statistische Modelle in den Bereichen Abrechnungsprüfung, Altersvorsorge und Lebensversicherung sowie für flexible Lasten am Energiemarkt um. Die methodischen Leitplanken liegen in Data Science und Finanzmathematik. Neben den klassischen statistischen und finanzmathematischen Verfahren kommen oft Methoden aus dem Machine Learning zum Einsatz, diese sind die Grundlage für viele Anwendungen im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI). Diese Themen begeistern auch Mathematikerinnen: 11 der 22 Mitarbeitenden der Abteilung sind weiblich (Stand April 2020).

Elisabeth Leoff
© Fraunhofer ITWM
Dr. Elisabeth Leoff schätzt die flexiblen Arbeitszeiten in der Abteilung Finanzmathematik und die Betreuungsmöglichkeiten für ihre beiden Kinder in der angrenzenden KiTa.

Finanzmathematikerinnen am Fraunhofer ITWM

Eine davon ist Dr. Elisabeth Leoff. Sie hat 2016 im Anschluss an ihre Promotion an der TU Kaiserslautern eine Stelle als Wissenschaftlerin bei der Abteilung Finanzmathematik des Fraunhofer ITWM angetreten. In ihrem Arbeitsalltag beschäftigt sie sich mit zwei Themengebieten: der Abrechnungsprüfung und Auffälligkeitsdetektion im Gesundheitswesen sowie der Portfoliosteuerung und dem Risikomanagement für Versicherungen.

Die angewandte Forschung bei Fraunhofer war für sie ein wichtiges Argument für ihre Entscheidung für das Fraunhofer ITWM: »Es hat mich sehr gereizt, bei Fraunhofer in der Forschung zu arbeiten und weiterhin an die Uni angebunden zu sein, aber auch Praxisprojekte zu bearbeiten, bei denen ich mein Wissen in Zusammenarbeit mit Unternehmen anwenden kann.«

Ausschlaggebend für Leoffs Entscheidung waren auch die Möglichkeiten, die die Abteilung Finanzmathematik und das Institut ihr bieten, ihren Beruf mit der Betreuung ihrer zwei Kinder im Kindergarten-Alter zu vereinbaren. »Mobil zu arbeiten war auch vor Corona bei uns in der Finanzmathematik schon möglich. Für mich war die Option vor allem gut, wenn eines unserer Kinder krank war. Dann arbeite ich vormittags von zu Hause und schaue, wieviel ich neben der Betreuung meines kranken Kindes auch für die Arbeit noch schaffe. Und wenn nachmittags mein Mann nach Hause kommt, gehe ich ins Büro und erledige das, wozu ich vor Ort sein muss. Für solche Anliegen ist in unserer Abteilung ein großes Verständnis da, das ist wirklich super.«

Die beiden Kinder von Leoff werden in der KiTa Klammeräffchen betreut, die sich im gleichen Gebäudekomplex befindet wie das Fraunhofer ITWM. »Dass wir für unseren älteren Sohn einen Kita-Platz bekommen haben und dann auch für das Geschwisterkind, dafür bin ich sehr dankbar. Man darf nicht unterschätzen, welche Bedeutung ein KiTa-Platz für Eltern hat. Von anderen Familien höre ich oft Geschichten, dass sie vergeblich auf der Suche nach Plätzen sind. Darüber hinaus ist die KiTa echt super und meine Kinder gehen sehr gerne hin.«

Neben der angrenzenden Kindertagesstätte gibt es am ITWM noch weitere Angebote für Eltern: Zum Beispiel das Mit-Kind-Büro. Ein mit Spielangeboten, Wickeltisch und Kinderbett eingerichteter Arbeitsplatz steht für alle Mitarbeitenden zur Verfügung. Sollte es mal zu Engpässen bei der Betreuung ihrer Kinder kommen, zum Beispiel bei Schließtagen der KiTa oder wenn Oma oder Opa krank sein sollten, können die Mitarbeitenden ihren Nachwuchs mit ans Institut bringen.

Mit-Kind-Büro des Fraunhofer ITWM
© Fraunhofer ITWM
Das Mit-Kind-Büro des Fraunhofer ITWM bietet den Mitarbeitenden die Möglichkeit, bei Betreuungsengpässen oder Notfällen den Nachwuchs mit zur Arbeit zu bringen.
Stefanie Schwaar
© Fraunhofer ITWM
Dr. Stefanie Schwaar wird zukünftig eine Forschungsgruppe für Nachwuchswissenschaftlerinnen im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) aufbauen.

Nachwuchswissenschaftlerinnen im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI)

Dr. Stefanie Schwaar ist seit eineinhalb Jahren am Fraunhofer ITWM und übernimmt seit Anfang des Jahres die Funktion der Geschäftsfeldentwicklerin in der Abteilung Finanzmathematik für das Geschäftsfeld Abrechnungsprüfung. Sie ist Product Owner in verschiedenen der konsequent agil organisierten Projektteams. Sie arbeitet Vollzeit und teilt sich die Betreuung ihrer zwei Kinder mit ihrem Mann auf. Schwaar beaufsichtigt die Kinder am Vormittag vor der Schule und der Kita, arbeitet dafür am Nachmittag länger oder auch mal am Abend von zu Hause aus. »Die neuen Kommunikationswege und digitalen Tools, die es ermöglichen, auch von zu Hause Teil einer Besprechung zu sein, machen das Leben für mich und viele meiner Kolleginnen und Kollegen einfacher. Ich finde es sogar besser, wenn ein Großteil des Teams mobiles Arbeiten nutzt, statt nur ein oder zwei Personen, da es damit für alle selbstverständlicher wird, nicht mit der ständigen Anwesenheit aller Teammitglieder zu planen.«

Schwaar schätzt die Eigenverantwortung und das Vertrauen, das den Mitarbeitenden in der Finanzmathematik hinsichtlich ihrer flexiblen Arbeitszeitplanung entgegengebracht wird. Das ausgeglichene Verhältnis an Männern und Frauen in ihrer Abteilung empfindet sie ebenfalls als deutliche Bereicherung: »Ich finde es sehr schön in gemischten Teams zu arbeiten. Ein Team mit Männern und Frauen unterschiedlichen Alters schafft eine sehr angenehme Arbeitsatmosphäre.«

Im Laufe des Sommers wird Schwaar mit der Förderung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung eine Forschungsgruppe explizit für Nachwuchswissenschaftlerinnen im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) aufbauen. Ziel der Förderung ist es, die Sichtbarkeit von Deutschland und von Frauen in der KI-Forschung zu stärken und durch die geförderte Nachwuchsgruppe den Anteil an Nachwuchswissenschaftlerinnen in der KI-Forschung zu erhöhen. Für diese Forschungsgruppe werden neue Mitarbeitende eingestellt – bei gleicher Qualifikation werden hier Frauen bevorzugt.

Andreas Wagner
© Fraunhofer ITWM
Dr. Andreas Wagner leitet seit 2015 die Abteilung Finanzmathematik am Fraunhofer ITWM.

Dr. Andreas Wagner leitet seit 2015 die Abteilung Finanzmathematik. Für ihn lässt sich die Arbeit in Teilzeit und auch das mobile Arbeiten gut mit den Anforderungen in seiner Abteilung vereinbaren: »Da wir projektbezogen arbeiten, funktioniert es sehr gut, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre Zeit flexibel einteilen. Ob man von 8 bis 16 Uhr oder von 10 bis 18 Uhr oder erst am Abend arbeitet, ist für den Erfolg des Projekts nicht entscheidend.«

Für die Mitarbeitenden wirke sich auch die Entscheidung für Teilzeit nicht negativ auf die Karrieremöglichkeiten aus: »Die projektgebundene Arbeit bei uns führt auch dazu, dass man unabhängig davon, ob man 50 Prozent, 60 Prozent oder 80 Prozent arbeitet, keinen strukturellen Nachteil hat. Man übernimmt einfach weniger Projekte im Jahr, diese sind aber nicht weniger anspruchs- oder verantwortungsvoll.«

In der Mathematik und bei Fraunhofer reizvolle Perspektiven für Wissenschaftlerinnen

Dass die Abteilung Finanzmathematik, für ein naturwissenschaftliches Institut, einen außergewöhnlich hohen Frauenanteil aufweist, sei keine bewusste Entscheidung gewesen, so Wagner: »Der hohe Frauenanteil bei uns ist durch Zufall entstanden. Wir hatten Einstellungsrunden, da wurden drei Frauen eingestellt und bei der nächsten Runde drei Männer. Wir stellen die Person ein, von der wir glauben, sie passt am besten zur Stelle und zur Gruppe.«

Das Fraunhofer ITWM weist für das Jahr 2018 einen Frauenanteil im wissenschaftlichen Bereich von 17 Prozent, im technisch-administrativen Bereich von 69 Prozent auf. Gerade im wissenschaftlichen Bereich ist dieser Anteil zwar immer noch sehr niedrig, seit einigen Jahren steigt er aber und das Institut bemüht sich die Anzahl der Frauen hier zu erhöhen. Mit dem Förder- und Entwicklungsprogramm TALENTA zielt Fraunhofer darauf ab, mehr Frauen für die angewandte Forschung zu gewinnen, zu entwickeln und zu halten. Mit diesem Programm wurde auch Elisabeth Leoff gefördert: »Zum einen konnte ich mir aufgrund der Förderung ein bis zwei Monate mehr Zeit nehmen, um Publikationen zu veröffentlichen und zum anderen konnte ich recht spezifische Fortbildungen besuchen, die mir sehr viel gebracht haben«, beschreibt Leoff, wie sie vom TALENTA profitiert hat.

Mit regelmäßigen Veranstaltungen, die sich an Schülerinnen oder Studentinnen richten, bemüht sich das Institut um Nachwuchswissenschaftlerinnen. »Dadurch möchten wir den jungen Frauen zeigen, dass sie in der Mathematik und bei Fraunhofer reizvolle Perspektiven haben«, so Henrike Stephani, Beauftragte für Chancengleichheit am Fraunhofer ITWM. Beim Thema Frauen in Führungspositionen besteht mit einem Anteil von knapp 11 Prozent noch klarer Nachholbedarf. Dass seit April 2019 Frau Prof. Dr. Anita Schöbel die Institutsleitung übernommen hat, ist jedoch ein deutlicher Schritt in die richtige Richtung.