Digitaler Zwilling für nachhaltige Werkstoffe: Rezyklate sicher und effizient einsetzen

BMWK-Projekt »VaDiMat«: Variable Digitalisierung von Materialkarten für FVK und ihre Rezyklate

Im vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) über das IGF-Programm geförderten Projekt »VaDiMat« arbeitet unser Team aus dem Fraunhofer ITWM gemeinsam mit Forschenden aus dem Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik IWM daran, die Nutzung rezyklierter Faserverbundkunststoffe (FVK) für Unternehmen zu erleichtern und effizienter zu gestalten. Im Fokus steht das Entwickeln eines Digitalen Werkstoffzwillings, um die Eigenschaften des Materials mit Rezyklatanteil schnell und präzise abzubilden. Ziel ist es, die CO₂-Bilanz zu verbessern und Kosten zu reduzieren sowie gleichzeitig die Sicherheit von Bauteilen zu gewährleisten.

Kunststoff-Rezyklate bieten eine nachhaltige Alternative zu Neuware. Der Begriff fasst Produkte zusammen, die durch den Recyclingprozess entstehen und »wieder in den Zyklus eingeführt« werden. Sie werden meist aus verschiedenen Materialien wie Glas, Papier oder Kunststoff gewonnen. Der Einsatz von Rezyklaten gewinnt besonders in der Automobilindustrie zunehmend an Bedeutung – sowohl aufgrund gesetzlicher Vorgaben als auch durch ein wachsendes Bewusstsein für soziale Verantwortung. Eine große Herausforderung von Unternehmen ist es, die CO₂-Bilanz nachhaltig zu verbessern. Dabei stellt sich in der Automobilbranche eine zentrale Frage: Wie wirkt sich der Einsatz von Rezyklaten auf die Crashsicherheit von Bauteilen aus? Wie kann das mechanische Verhalten von rezykliertem Material schnell und effizient charakterisiert werden?

Digitale Zwillinge und KI erleichtern die Erstellung von zuverlässigen Materialkarten

In der virtuellen Entwicklung dienen sogenannte »Materialkarten« dazu, die Eigenschaften von Werkstoffen in der Simulation abzubilden. Doch lassen sich diese Karten effizient an die spezifischen Eigenschaften von Rezyklaten anpassen? Rezyklate weisen im Vergleich zu nicht-rezyklierten Werkstoffen oft volatilere mechanische Eigenschaften auf, etwa durch veränderte Faserlängen oder Polymerkettenstrukturen. Das vollständige Charakterisieren des Materials ist aktuell nicht nur zeitaufwändig, sondern auch teuer – und gleichzeitig müssen höchste Anforderungen an die Crashsicherheit erfüllt bleiben. 

Digitale Zwillinge eröffnen hier neue Möglichkeiten: Sie kombinieren experimentelle Daten mit Simulationen. Wir setzen dabei auf KI-Methoden wie Künstliche Neuronale Netze (KNN). Moderne Simulationssoftware ermöglicht es, komplexe Werkstoffe wie faserverstärkte Kunststoffe virtuell zu testen. Diese digitalen Experimente können reale Versuche zur Materialcharakterisierung nicht nur ergänzen, sondern in vielen Fällen sogar ersetzen. Mithilfe der KI lassen sich dann nicht nur Werkstoffparameter automatisiert anpassen, sondern die KNN können auch genutzt werden, um Mikrostrukturen zu entdecken, die ganz bestimmte mechanische Eigenschaften erfüllen.

Modellierungsansatz VaDiMat
© Fraunhofer ITWM
Modellierungsansatz VaDiMat

Digitalisierung und Nachhaltigkeit als Herausforderungen für die Materialforschung der Zukunft

Diese innovative Herangehensweise erleichtert es auch kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), rezyklierte Faserverbundkunststoffe nachhaltig und wirtschaftlich einzusetzen. In Zukunft wird die CO₂-Bilanzierung für alle ausgelieferten Bauteile zur Pflicht. Im Rahmen dieses Projekts wird exemplarisch gezeigt, wie die Bilanzierung für rezyklierte glasfaserverstärkte Thermoplaste durchgeführt werden kann. KMU erhalten praxisnahe Anleitungen zur Umsetzung.

Darüber hinaus sind nach Projektabschluss Schulungen geplant, die den Umgang mit Rezyklaten sowie die Auslegung und Bewertung ihrer gesamten Lebenszyklen vermitteln. Der Einsatz von Rezyklaten wird nicht nur effizienter gestaltet, sondern es entsteht auch eine fundierte Grundlage, um deren CO₂-Bilanz im Spritzgussprozess zu bewerten – ein entscheidender Schritt hin zu mehr Nachhaltigkeit und Ressourceneffizienz.

Unsere Partner im Projekt

Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik IWM: Ansprechpartner Dr. Timo Schweiger und  Dr.-Ing. Andreas Jilg

Projektlaufzeit und Förderung

Das Projekt ist vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz über das IGF-Programm (Vorhaben-Nr. 22745 N) gefördert und läuft seit 1.1.2023 bis voraussichtlich Ende 2025 in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer IWM.

Die Industrielle Gemeinschaftsforschung (IGF) ist ein themenoffenes und vorwettbewerbliches Förderprogramm des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), das kleinen und mittleren Unternehmen einen einfachen Zugang zu praxisorientierter Forschung ermöglicht.