Ältere Menschen infizieren sich als letztes
Ob sich ältere Menschen tatsächlich verzögert infizieren, oder der Effekt nur durch eine Verzögerung beim Testen/Erkennen/Melden zustande kommt, lässt sich aus diesen Zahlen zunächst nicht erkennen.
Gerade bei Kindern mit eher milden Symptomen kann es durchaus zu Verzögerungen kommen, bis die Infektion auffällt. Anders sieht es bei der Altersgruppe 80+ aus: Dort gibt es anteilmäßig viel mehr schwere Verläufe, als in den übrigen Altersgruppen. Dementsprechend fallen die Infektionen dort stärker auf. Es gibt auch keine Hinweise dafür, dass die Inkubationszeit in dieser Altersgruppe länger ist, als in den übrigen Altersgruppen. Das spricht dafür, dass sich ältere Menschen tatsächlich verzögert infizieren.
Folgende Überlegung untermauern dies: Diejenigen Altersgruppen mit den meisten Kontakten und der größten Mobilität sind die Altersgruppen 15-34 und 35-59. Es ist daher plausibel anzunehmen, dass dies die Altersgruppen sind, die das Infektionsgeschehen vornehmlich vorantreiben und somit zeitlich gesehen mit die frühesten sind. Nun haben sehr viele Menschen in der Altersgruppe nicht täglich intensiven Kontakt zu diesen jüngeren Altersgruppen – nicht alle Angehörigen besuchen ihre (Groß-)Eltern täglich und bei Alten- und Pflegeheimen wurde sehr zeitig auf den Schutz der Bewohner:innen geachtet, was eine schnelle Übertragung sehr wahrscheinlich verzögert hat. Darüber hinaus haben Menschen in der Altersgruppe 80+ im Mittel relativ wenige Sozialkontakte, so dass es plausibel ist, dass sie die letzten sind, welche vom Infektionsgeschehen betroffen sind.
Diese zeitliche Verzögerung muss man bei allen Entscheidungen rum um die Maßnahmen im Hinterkopf haben.
Fazit
Wenn das Infektionsgeschehen bei jüngeren Menschen schneller auf Maßnahmen reagiert, dann lässt sich die Wirksamkeit von Maßnahmen insgesamt auf einzelne Altersgruppen nicht durch den Vergleich der Inzidenzwerte über einen gemeinsamen Zeitraum bewerten. Schließlich kann es noch sein, dass sich die Wirksamkeit in der Altersgruppe 80+ erst einige Tage später zeigt, als in den jüngeren Altersgruppen.
Zielen Maßnahmen darauf ab, das Gesundheitssystem nicht an die Kapazitätsgrenzen zu bringen, so muss man diese Verzögerung ebenfalls berücksichtigen. Die ältesten Menschen in unserer Gesellschaft haben im Falle einer Infektion die höchste Wahrscheinlichkeit, intensiv-medizinische Betreuung zu benötigen. Somit sollte man darüber nachdenken, Maßnahmen noch früher zu ergreifen.