Blick über den Tellerrand
Kann Medizin wirklich ein Geschäft sein?
»Kann Medizin wirklich ein Geschäft sein?« – dieser Frage ging Referent Professor Dr. med. Dipl.-Ing. Oliver Rentzsch beim »Blick über den Tellerrand« im November nach. Seine Antwort: ein klares JEIN. Der Tellerrand war gut besucht und bot genügend Stoff für eine rege Diskussion mit kontroversen Thesen und Fragen.
Der Gesundheitsmarkt zählt inzwischen zu den größten Wirtschaftszweigen in Deutschland. Individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL) spielen im Praxismarketing eine immer größere Rolle. Doch wer definiert überhaupt Qualität und Nutzen? Geht es überhaupt noch um den Menschen oder nur darum, Marktsegmente zu besetzen? Wo bleibt der Versorgungsauftrag – Vorsorge und Fürsorge?
»Der qualitativ hochwertige Patient«
Oliver Rentzsch stellte in seinem Vortrag nicht nur Theorie und Statistik aus der Wirtschaft vor, sondern hatte auch Beispiele aus der Praxis des Gesundheitsmarketings mit dabei. Von der »Trüffelsuche à la privat« ist hier die Rede oder von der »Jagd nach dem qualitativ hochwertigen Patienten«. Krankenhäuser und Arztpraxen werden marketingtechnisch wie klassische Wirtschaftsunternehmen beraten und strategisch aufgestellt; Patienten in Sinusmilieu-Gruppen unterteilt und von Marketing-Experten in Zielgruppen typologisiert.
In einem Exkurs stellte er unser Gesundheitssystem dem zerstörten Gesundheitssystem in Syrien gegenüber. Eins wurde dabei schnell deutlich: Wir sprechen hier in Deutschland über wahre Luxusprobleme. »In Krisenregionen stellen sich ganz andere Fragen, keine des Marketings, sondern der Grundversorgung. Denn, nimm dem Mensch die Gesundheitsversorgung und du nimmst ihm die Existenz. Die Zerstörung dieser wird gar als strategisches Kriegsmittel genutzt«, so Rentzsch. Auch aus Syrien konnte er aus eigenen Praxiserfahrung berichten.
Seinen Rundumschlag zum Thema »Kann Medizin wirklich ein Geschäft sein?« schloss er mit einem »Die Gesellschaft muss diese Probleme entscheiden« und »Das Schöne an der Gesundheit ist, dass man sie sich nicht mit Geld kaufen kann«.
Die Vortragsreihe »Blick über den Tellerrand«
Einmal im Monat öffnet das ITWM die Türen für alle Interessierten und lädt beim »Blick über den Tellerrand« dazu ein, gemeinsam den Horizont zu erweitern. Die interdisziplinäre Vortragsreihe des Felix-Klein-Zentrums für Mathematik präsentiert dabei ganz besondere Perspektiven zu ganz unterschiedlichen Themen aus Wissenschaft und Forschung. Jeder ist herzlich eingeladen und der Eintritt ist frei.
Prof. Karl-Heinz Küfer ist seit November 2016 Leiter der Veranstaltungsorganisation. Am 13. Dezember 2016 ist der nächste Tellerrand zum Thema »Wissenschaftssystem der Moderne« mit Rudolf Stichweh.
Mehr Infos zu den Veranstaltungen des Felix-Klein-Zentrums für Mathematik.