Interview mit Prof. Dr. Gitta Kutyniok, Keynote-Sprecherin bei den Kaiserslautern Applied and Industrial Mathematics Days KLAIM 2023

»Das Beste aus beiden Welten: Synthese von modellbasierten Ansätzen und datengesteuerten Techniken«

Interview / 27. September 2023

KLAIM bietet eine Plattform für Mathematiker:innen aus dem akademischen Bereich, Forschungslaboren und Industrie, um Ideen auszutauschen und aktuelle Ergebnisse vorzustellen. Der Schwerpunkt der zweiten KLAIM-Tagung liegt auf der Synthese von Modellen und Daten, dem aktuellen Forschungsschwerpunkt von Prof. Dr. Gitta Kutyniok. Sie ist Inhaberin des Lehrstuhls für mathematische Grundlagen des Verständnisses der Künstlichen Intelligenz an der Ludwig-Maximilians-Universität München und hielt den Eröffnungsvortrag der diesjährigen KLAIM.

Frau Prof. Dr. Kutyniok, was hat Sie bewogen, zu den Applied and Industrial Mathematics Days nach Kaiserslautern zu kommen?

Das Fraunhofer ITWM hat ja die Forschungsphilosophie, dass man auf der einen Seite modellbasierte Ansätze verfolgt und auf der anderen Seite diese ganze neue Welt von datenbasierten Ansätzen und Künstlicher Intelligenz entstanden ist, die man nun zusammenbringt. In gewisser Weise das Beste aus beiden Welten vereint. Wichtig ist hier die mathematische Sicht, denn sie hilft uns, die Zuverlässigkeit der entwickelten Methoden sicherzustellen. Das ist natürlich genau meine Richtung und die Philosophie meiner Forschung: modell- und datenbasierte Ansätze verbinden.

Haben Sie hier Anwendungsbeispiele?

Oh ja, wir beschäftigen uns mit diversen Anwendungen, insbesondere im Bereich der medizinischen Bildverarbeitung oder im Bereich Robotik und Kommunikation.
Auf der anderen Seite befassen wir uns mit zuverlässiger KI. »Zuverlässig machen« im Sinne von in der Tiefe verstehen, wie es funktioniert, z.B. wie der Trainingsprozess abläuft oder welche Architektur man am besten nimmt, zum Beispiel wie viele Schichten man verwendet.

Ein weiterer Punkt ist die »Erklärbarkeit«: Also kann ich die Ergebnisse von KI oder auch solchen modellbasierten Ansätzen nachvollziehen, kann ich das verstehen? Das ist meiner Meinung nach eine Richtung, die eigentlich sehr unterschätzt und wenig verfolgt wird.

Sie zielen hier auf die Grenzen Künstlicher Intelligenz ab?

Ja, denn sie ist kein Allheilmittel. Wir haben herausgefunden, dass man bestimmte Probleme gar nicht mit KI-Methoden lösen kann. Wenn man auf digitaler Hardware arbeitet – also CPU und GPU – auf der man normalerweise Neuronale Netze trainiert, kann man beweisen, dass einige Probleme gar nicht berechenbar sind. Das ist eine fundamentale Schranke, die uns gegeben ist durch die Hardware, die wir derzeit benutzen, weil wir alles auf Nullen und Einsen runterbrechen.

Mehr Informationen

zur Konferenz auf unserer Veranstaltungsseite:

mehr

Zur Person

Gitta Kutyniok studierte Mathematik und Informatik an der Universität Paderborn. 2006 habilitierte sie an der Justus-Liebig-Universität Gießen. Danach forschte sie als Heisenberg-Stipendiatin der Deutschen Forschungsgemeinschaft an der Princeton University, Stanford University und Yale University. Anschließend war sie Professorin für Angewandte Analysis an der Universität Osnabrück, bevor sie 2011 den Ruf an die Technische Universität Berlin annahm, wo sie seitdem als Einstein-Professorin für Mathematik tätig war und den Lehrstuhl für Angewandte Funktionalanalysis innehatte.

Seit 2020 lehrt und forscht Gitta Kutyniok an der Ludwig-Maximilians-Universität München zu mathematischen Grundlagen des Verständnisses der Künstlichen Intelligenz.

zur Website LMU München

Unterstützt uns da zukünftig der Quantencomputer?

Genau. Was uns insbesondere hilft, ist, vom Digitalen wegzugehen und quasi innovative neue Hardware zu benutzen, die auch analoge Anteile hat: also Quantencomputing, Neuromorphic Computing oder Bio Computing. Da gibt es sehr viele interessante Richtungen; die Idee ist, die digitale Hardware durch diese moderne, innovative neue Hardware zu augmentieren, sodass man wirklich absolute Zuverlässigkeit bekommt und beweisbar Ergebnisse erklären kann, wie es rechtlich insbesondere vom EU AI Act verlangt wird. Das ist im Moment auch eine unserer zentralen Forschungsrichtungen.

© Fraunhofer ITWM
Vortrag von Prof. Dr. Gitta Kutyniok bei KLAIM 2023 digital aus der LMU zugeschaltet. Am Pult: Prof. Dr. Bernd Simeon.

© Fraunhofer ITWM
Unter dem Titel »Reliable AI: Successes, Challenges, and Limitations« stand der Vortrag von Prof. Dr. Gitta Kutyniok bei KLAIM 2023.

Gibt es Berührungen mit der Anwendungsorientierung unseres Instituts?

Da gibt es diverse. Sie hatten schon das Quantencomputing genannt, ein Schwerpunkt Ihres Instituts. Und es gibt sicher auch Überschneidungen beim Next Generation Computing und der technischen Bildverarbeitung im Bereich Medizin und Gesundheit, zum Beispiel Computertomographie oder Magnetresonanztomographie.
Machine Learning ist natürlich auch ein großer Anknüpfungspunkt, ebenso wie die Nachhaltigkeit. Mit derzeitiger Hardware hat man riesige Energieprobleme, was Nachhaltigkeit entgegensteht. Wir hoffen, dass man zum Beispiel mit dem Neuromorphic Computing und allgemein innovativer neuartiger Hardware dieses Problem in gewisser Weise besser in den Griff bekommt und lösen kann.

© Fraunhofer ITWM
Gruppenbild KLAIM 2023

Presseinformation