Zerstörungsfreie Mikrostrukturanalyse für Bauteile aus faserverstärktem Kunststoff

MEF-Projekt »3d Volant«

Bauteile aus faserverstärktem Kunststoff ersetzen immer mehr Bauteile, die früher aus Metalllegierungen hergestellt wurden, denn sie sind bei gleichem mechanischen Verhalten leichter und ihr Einsatz spart damit Energie. Sie bestehen aus einer Kunststoffmatrix und eingearbeiteten Fasern, meist aus Glas oder Kohlenstoff. Durch ihr geringes Gewicht und die hohe Festigkeit sind faserverstärkte Kunststoffe für Leichtbauanwendungen etwa in der Automobil- und Flugzeugproduktion besonders geeignet.

Im Gegensatz dazu ist es schwieriger, Bauteile aus Verbundmaterialien belastungsgerecht auszulegen, denn die mechanischen Eigenschaften wie Belastbarkeit und Lebensdauer hängen von ihrer speziellen Mikrostruktur ab. Mechanisch stark beanspruchte und sicherheitsrelevante Bauteile müssen deshalb belastbar zerstörungsfrei geprüft werden.

Faserorientierung beeinflusst Materialeigenschaften

Durch die unterschiedlichen mechanischen Eigenschaften der Fasern und der Kunststoffmatrix ändern sich – je nach Anordnung der Fasern in einer Probe – die Materialeigenschaften: Parallel liegende Fasern ergeben eine hohe Zugbelastbarkeit des Verbundes in Faserrichtung, während vollkommen zufällig orientierte (isotrope) Fasersysteme Verbundstoffe ergeben, deren mechanische Belastbarkeit richtungsunabhängig ist. Deshalb sind für das Bauteilverhalten faserverstärkter Kunststoffteile vor allem die lokale Volumendichte und die lokale Orientierung der Verstärkungsfasern entscheidend.

Eine räumliche Abbildung mit Mikro-Computertomografie liefert diese Information. Die tomografische Rekonstruktion erzeugt aus Projektionen 3D-Bilder, deren Grauwerte im Wesentlichen die lokale Röntgenabsorption widerspiegeln. Glasfasern erscheinen deshalb in einer Polymermatrix deutlich heller. Einzelne Fasern können im Dreidimensionalen nicht als Bildobjekte identifiziert werden, die Faserkomponente lässt sich aber gut von der Matrix trennen. Der lokale Faservolumengehalt ergibt sich aus der Anzahl von Faservoxeln zur Gesamtzahl der Voxel im untersuchten Bereich.

Langglasfaserverstärkter Träger, Oberflächennetz aus Moldflow
© Ford/Montaplast
Langglasfaserverstärkter Träger, Oberflächennetz aus Moldflow

Algorithmen errechnen Vorzugsrichtung aus Grauwerten

Weiterentwickelte Bildverarbeitungs-Algorithmen werden aus den lokalen Grauwerten für jedes Voxel in der Faserkomponente eine Vorzugsrichtung im Raum berechnet. Daraus leiten wir den Orientierungstensor zweiten Ordnung ab. Für diese Analyse muss der Faserdurchmesser von 10-20 µm mit mindestens drei Voxeln aufgelöst werden. Deshalb mussten bisher kleine Proben mit Kantenlängen von wenigen Millimetern geschnitten werden, um sie im Kegelstrahl mit dieser hohen Auflösung abzubilden. Damit wird die Methode zu aufwändig für die Serienprüfung. Vor allem aber ist sie für große Bauteile nicht zerstörungsfrei und damit für die Qualitätsprüfung ungeeignet.

Bildbeispiele

Im Folgenden wurden drei Ausschnitte des langglasfaserverstärkten Trägers mittels Region-of-Interest-Mikro-Computertomografie abgebildet. Zu sehen sind die Volumenrenderings und virtuellen Schnitte. Farbig: Orientierungstensorkomponente in Fließrichtung.

Ausschnitt 2 des langglasfaserverstärkten Trägers
© Fraunhofer ITWM
Ausschnitt 2 des langglasfaserverstärkten Trägers
Ausschnitt 3 des langglasfaserverstärkten Trägers
© Fraunhofer ITWM
Ausschnitt 3 des langglasfaserverstärkten Trägers
Ausschnitt 4 des langglasfaserverstärkten Trägers
© Fraunhofer ITWM
Ausschnitt 4 des langglasfaserverstärkten Trägers

»3d Volant« vermeidet Abbildungsartefakte und beschreibt Materialeigenschaften zutreffend

Mikro-Computertomografie bildet bei geeigneter Konfiguration des Tomografen auch kleine Probenausschnitte aus einem Bauteil räumlich ab, ohne diese tatsächlich auszuschneiden. Diese Tatsache ist schon lange bekannt, in der Praxis führten jedoch Abbildungsartefakte zu Qualitätseinbußen, die die quantitative Analyse der 3D-Bilder solcher »Regions-of-Interest« verhinderten.

Im MEF-Projekt »3d Volant« lösen wir gemeinsam mit der Projektgruppe »NanoCT-Systeme« des Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS dieses Problem. Erstmals konnten wir praxisrelevante Bauteile aus der Automobilindustrie mit Mikro-Computertomografie so gut räumlich abbilden, dass wir die resultierenden Volumenbilder besonders interessanter Bauteilbereiche quantitativ analysieren konnten. Durch die 3D-Bilder ist es möglich auch Simulationen des Fließverhaltens im ganzen Bauteil mit der tatsächlichen lokalen Mikrostruktur zu vergleichen.