MAVI Success Story – Interview with Dr. Vincent Felde

Institute of Soil Science of the Gottfried Wilhelm Leibniz University Hannover

Als Bodenkunde-Institut beschäftigen Sie sich mit den Schwerpunkten Bodenchemie, Bodenbiophysik und Bodenphysik, beschreiben Sie doch gerne, was das in der Praxis der Arbeitsgruppe »Bodenbiophysik« genau heißt und welche Projekte dabei mit dem Team des Fraunhofer ITWM bearbeitet werden?

In der von Prof. Peth geleiteten Arbeitsgruppe »Bodenbiophysik« befassen wir uns mit den Wechselwirkungen von physikalischen und biologischen Prozessen in Böden. Die Bodenbiophysik vereint die klassischen Disziplinen Bodenphysik und Bodenökologie zu einer neuen übergreifenden Fachrichtung, die sich mit Wasser-, Stoff- und Energieflüssen im Ökosystem Boden auf unterschiedlichen Skalen auseinandersetzt und deren Bedeutung für ökologische Bodenfunktionen untersucht.

Wir untersuchen unter anderem die Konnektivität von Porennetzwerken und den davon abhängigen Stofftransport (Wasser, Nährstoffe, Bodengas) sowie die Zugänglichkeit von Grenzflächen, welche für biogeochemische und physikalische Prozesse von zentraler Bedeutung sind. Porenräume interessieren uns deswegen ganz besonders, weil diese einerseits Lebensräume sind, die durch ihr physikalisches Umfeld auf biologische Prozesse einwirken.

Dabei werden sie jedoch auch selbst durch biologische Prozesse stetig umgeformt, sodass sich das Bodenökosystem als ein selbstorganisierendes Gefüge aus Wechselwirkungsmechanismen an die Randbedingungen und Störungen (z.B. Klimawandel) in der Umwelt anpasst. Uns interessiert dabei welche Veränderungen dazu beitragen, Bodenfunktionen zu beeinträchtigen, was Böden resilient macht und wie wir gestörte Bodenfunktionen wieder regenerieren können.

Dr. Vincent Felde, Leibniz Universität Hannover
Dr. Vincent Felde, Leibniz Universität Hannover

Forschungsschwerpunkte sind unter anderem:

  • der Einfluss des Bodenmanagements auf Wasser-, Wärme- und Stoffflüsse
  • Wurzel-Boden-Interaktionen
  • mechanische Prozesse beim Wurzelwachstum
  • nicht-invasive Quantifizierung von Bodenmikrostrukturen.

Hier setzen wir neben klassischen bodenphysikalischen und bodenökologischen Messmethoden moderne Methoden zur Strukturaufklärung ein (u. a. röntgentomographische Verfahren, Grenzflächenmessungen). Auf der Feldskala dienen Sensornetzwerke und Drohnen gestützte Thermographie zur Erfassung der räumlich-zeitlichen Variabilität der Bodenfeuchte und von Oberflächentemperaturen. Die erhobenen Daten fließen in Modelle zur Simulation des Wasser-, Wärme- und Stofftransportes ein und sollen helfen die Effekte von Bodennutzungsformen auf Bodenökosysteme zu quantifizieren. Unsere Forschungsprojekte umfassen ein breites Skalenspektrum von einzelnen Porenräumen in Bodenaggregaten bis hin zur Feldskala und decken dabei Grundlagen- und praxisorientierte Fragestellungen ab.

Wie kann man sich die Zusammenarbeit vorstellen? Was ist das Besondere? Seit wann besteht die Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer ITWM?

Wir arbeiten seit 2012 mit dem Fraunhofer ITWM zusammen und nutzen ToolIP als Beta-Tester, sodass wir dem Entwicklungsteam regelmäßig Rückmeldung geben zu eventuell existierenden Fehlern/Bugs und darüber hinaus Wünsche für zukünftige Versionen äußern können. Dies ist für uns besonders reizvoll, da wir so die Möglichkeit haben, eine mitgestaltende Rolle in der Entwicklung der Software zu spielen und dafür Sorge zu tragen, dass das fertige Produkt optimal auf bodenwissenschaftliche Bedürfnisse zugeschnitten ist.
 

Welche Rolle haben Sie bei dieser Arbeit?

Ich bin wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Arbeitsgruppe »Bodenbiophysik« bei Prof. Dr. Stephan Peth am Institut für Bodenkunde der Universität Hannover und kümmere mich dort unter anderem um die IT-Forschungsinfrastruktur und die Entwicklung von Bildbearbeitungsmethoden für unterschiedlichste Fragestellungen auf Basis von TooIP. Für meine eigene Forschung zu Bodenaggregaten und biologischen Bodenkrusten setze ich ToolIP häufig ein, um Porenräume zu quantifizieren und diese mit den Bildungsmechanismen von Mikrostrukturen durch biologische Prozesse zu verknüpfen.

MAVI ist unser Softwaresystem für die Verarbeitung und Analyse von Volumenbildern von komplexen Mikrostruktur von Werkstoffen. Wie wird die Software MAVI und ToolIP bei Ihnen eingesetzt? (MAVIkit für ToolIP)

Vorrangig zur Analyse von computertomographischen Aufnahmen von Bodenproben. Wir analysieren drei- oder vierdimensionale Struktur-Funktions-Beziehungen im Boden auf verschiedenen Skalenniveaus. Diese Arbeit reicht von der Analyse von ganzen Wurzelsystemen im Rahmen eines Rhizosphärenforschungsprojektes bis hin zur hochauflösenden Aufnahme von Boden-Mikroaggregaten im Nanometer-Bereich. In einer Studie haben wir beispielsweise mithilfe von ToolIP quantifiziert, wie sich im Laufe eines Austrocknungsprozesses in einem Wüstenboden die räumliche Konfiguration von Wasser um ein Cyanobakterium verändert, da wir Informationen gewinnen wollten über die Überlebensstrategien dieser Organismen, sowie ihre Fähigkeit, unter extremsten Umweltbedingungen noch photosynthetisch aktiv zu sein und somit den Kohlenstoffgehalt des Bodens zu erhöhen (Couradeau et al., 2018).

Visualisierung der Cyanobakterien
© Leibniz Universität Hannover
Visualisierung des gesamten Bündels (A), eines Querschnitts davon (B) und einer Nahaufnahme des Querschnitts (C), die die Verteilung von Wasser, Luft und Sand in der 0-32 μm Mikroumgebung um das Bündel während der Austrocknung von 42 bis 91 Minuten zeigt. Der prozentuale Anteil von Wasser, Luft, Sand, Trichom und Mantel an der gesamten ROI ist in Tafel (D) dargestellt.
Fundort, Probenahme und REM-Aufnahmen
© Leibniz Universität Hannover
(A) Blick auf den Fundort und (B) Illustration der Probenahme. (C-F) REM-Aufnahmen eines polierten Biokrusteschnitts unter Verwendung von Rückstreuelektronen (C) und Sekundärelektronen (D,E), die Microcoleus-Bündel, Hüllenmaterial und cyanobakterielle (T) Trichome in situ zeigen.

Welche Ergebnisse können Sie mit der Software erzielen? Welche Vorteile bestehen?

Der Vorteil der Software besteht in der Möglichkeit der Hochdurchsatz-Analyse von einer hohen Anzahl an Proben, bzw. Wiederholungen pro Behandlung. Die strukturelle Heterogenität des Bodens ist eine Eigenschaft, die uns dazu zwingt, unsere Tomographie-Experimente mit einer Vielzahl von Wiederholungsmessungen zu planen. Nur so können wir tatsächlich belastbare quantitative Aussagen über Porensysteme treffen, welche Rückschlüsse zulassen auf umwelt- und klimarelevante Bodeneigenschaften, wie z. B. das Wasser- und Kohlenstoffspeicherpotential des Bodens, sowie seine Habitatfunktion für Mikroorganismen. Eine auf die Fragestellung flexibel angepasste und reproduzierbare Bildanalysekette, die im Batchmodus viele zehner bis hunderte Tomogramme auswerten kann ist für uns sehr wichtig. Mit ToolIP haben wir ein sehr geeignetes Werkzeug gefunden, das diese Anforderungen erfüllt.

Ausblick: Welche thematischen Schwerpunkte sind denn in der Zukunft vorgesehen? Wo geht die Reise in ihrer Forschung hin?

Bildanalytisch reizen uns vor allem neuste technische Entwicklungen im Bereich der räumlich extrem hochauflösenden Computertomographie sowie die Möglichkeit, an Synchrotron-Einrichtungen weltweit zeitlich hochaufgelöste Tomographieaufnahmen durchzuführen.

Hierdurch eröffnen sich völlig neue Möglichkeiten des Erkenntnisgewinns über mikro- und nanoskalige Bodenprozesse. Auch die zeitliche Dynamik von Mikrostrukturen, z. B. bei der Deformation von Böden durch mechanische und hydraulische Spannungen im Sinne von 4D-Röntgentomographie sind Gegenstand derzeitiger und zukünftiger Forschungen. Einen weiteren Schwerpunkt sehen wir in der Co-Registrierung von Bilddaten an ein und derselben Probe, um einen Mehrwert an Informationen durch den Einsatz verschiedener nicht-invasiver Techniken (Lasermikroskopie, NanoSIMS, µCT, Fluoreszenzmikroskopie, AFM, SEM-EDX) zu erhalten.