Gesundheit und Medizin Solvenzkapitalberechnung mit KI: Weniger Daten, valide Prognosen Mit der Bestimmung des Solvenzkapitals, also dem Kapital, das Versicherungen vorhalten müssen, um auch am Ende des Jahres zahlungsfähig zu sein, beschäftigt sich unsere Abteilung »Finanzmathematik« schon sehr lange. Um die sogenannte Solvenzquote errechnen zu können, setzen die Forschenden auch auf Künstliche Intelligenz. Wie sich die Forschung in diesem Bereich entwickelt hat, erläutert Prof. Dr. Ralf Korn; er hat die Abteilung »Finanzmathematik« über Jahre geleitet und bringt seine Expertise nun als Berater sowie Mitglied des Scientific Advisory Boards des Instituts ein. Wie kann Künstliche Intelligenz Versi- cherungen vor schwer kalkulierbaren Risiken schützen? Einen Schutz gibt es natürlich nicht, aber unse- re Methoden tragen dazu bei, bessere Entschei- dungen zu treffen. Wir bieten Versicherungen ein Neuronales Netz, welches mit vorhandenen Daten und dem internen Modell des Unter- nehmens trainiert. Ziel ist eine Sensitivitäts- analyse des Solvenzkapitals in »Echtzeit«. In dieses interne Modell integrieren wir nun ex- terne Daten. Das müssen Sie uns erklären Wichtig bei der Solvenzkapitalberechnung: Es gibt nicht nur die Versicherung, es gibt auch die Welt! Und sie muss einfließen in die Sensi- tivitätsanalyse, in Form externer Szenarien. Wir integrieren Unsicherheiten in unsere Berech- nungen, um weitergehen zu können in unse- ren Vorhersagen. Dafür müssen wir nicht den exakten Zustand von heute kennen, sondern können auch schauen, was passiert wäre, wenn wir vielleicht einen kleinen Fehler ge- macht hätten. Wir simulieren den Zustand der Welt an be- stimmten Punkten und bewerten dann die Be- stände der Versicherung an genau diesen Punkten. Und dadurch, dass dieses Bewerten sehr aufwändig ist und man ca. 10 000 Zu- stände simulieren müsste, um über die Welt Bescheid zu wissen, hat man nicht nur ein Be- wertungsproblem, sondern auch ein Zeitprob- lem: Eine Bewertung der Aktiva und Verpflich- tungen der Versicherung in jeweils einem Zustand der Welt dauert etwa eine Minute. Und hier kommt die Künstliche Intelligenz ins Spiel? Ja, denn 10 000 Zustände der Welt können wir quasi in Echtzeit simulieren, also die Entwick- lung der Zinsen, der Sterblichkeit, der Aktien- märkte und so weiter. Was Zeit kostet, ist die Bewertung der Verpflichtungen und Anlage- güter der Versicherer intern. Deshalb verfol- gen wir einen Ansatz, bei dem wir tatsächlich nur eine ganz grobe Bewertung machen, in- dem wir in jedem Zustand der Welt quasi nur ein einziges Mal würfeln. Das gleicht sich aus, weil alle diese 10 000 Bewertungen zwar nur sehr grobe Approximationen sind, aber wenn »Es gibt nicht nur die Versiche rung, es gibt auch die Welt!« 44