Unsere Math-Talent-School 2020

Wie sieht die Berufswelt einer Mathematiker*in aus und was ist angewandte Mathematik? Das konnten 23 Jugendliche von Schulen des nationalen Excellence-Schulnetzwerks MINT-EC vom 2. bis zum 6. März 2020 bei uns am Fraunhofer ITWM erfahren. Unsere jährliche Math-Talent-School wird organisiert von MINT-EC in Kooperation mit dem Felix-Klein-Zentrum für Mathematik, eine gemeinsame Einrichtung des Fraunhofer-Instituts für Techno- und Wirtschaftsmathematik ITWM und des Fachbereichs Mathematik der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau (RPTU).

 

Motivation und Mathe-Talente auf höchstem Niveau

»Ich habe den Wunsch an der Math-Talent-School teilzunehmen, da ich hoch interessiert an der Lösung mathematischer Probleme bin. Ich will neue Erfahrungen in dieser Hinsicht erarbeiten und mich weiterbilden. Zudem will ich später mit Informatik arbeiten und dafür auch meine Mathekenntnisse erweitern. Eine Motivation dafür ist für mich, dass ich ehrenamtlich mit Flüchtlingen in Mainz arbeite und versuchen will dort mit meinen Informatikkenntnissen organisatorischen Aufwand zu lindern«, schreibt beispielsweise Tim Geißler in seiner Bewerbung.

So und ähnlich hören sich die Motivationsschreiben der ausgewählten Schülerinnen und Schüler an, die sich im Vorfeld auf das Mathe-Camp beworben haben. Für ihren Mathe-Traum sind sie aus ganz Deutschland gereist und auch dieses Jahr nahmen wirklich spannende Persönlichkeiten und Talente teil. Die Schülerinnen und Schüler der Klassen 11-13 bearbeiteten in Teams unterschiedliche Fragestellungen mithilfe mathematischer Modellierung und Computersimulationen und unter Hilfestellung von Forschenden der RPTU und des Fraunhofer ITWM.

Die folgenden Gruppen und Problemstellungen waren 2020 mit dabei:

Mathematik, Spiele und Machine Learning

Diese Gruppe beschäftigte sich auf spielerische Art und Weise mit den vielfältigen Möglichkeiten der Mathematik in den Anwendungen: Wie kann man einen Computer dazu bringen, als interessanter Mitspieler in unterschiedlichen Spielen zu agieren? Welche Spiele eignen sich besonders gut, welche sind schwer durch mathematische Modelle und Algorithmen zu fassen? Und welche Möglichkeiten ergeben sich durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz?

Anhand des Spiels Shut the box stiegen die Schülerinnen und Schüler in die Materie ein und verglichen mathematisch rigorose Analysen mit Ergebnissen eines KI-Algorithmus. Auf dieser Basis ging es im Anschluss mathematisch in die Tiefe, sie konnten die Möglichkeiten von Machine Learning erkunden. Betreuer war Martin Bracke vom Fachbereich Mathematik, AG Technomathematik der RPTU.

Eine der Schülerinnen ist Bara Mehriban Kiraz. Sie ist aus Brandenburg vom Marie-Curie-Gymnasium zu uns gereist. In ihrem Motivationsschreiben hat sie bereits von ihrer Leidenschaft für Physik und Mathe geschwärmt: »Ich will unbedingt teilnehmen, da ich mathematische Physikerin werden will.«  In ihrerer Freizeit studiert sie im Rahmen des Programms »Studieren ab 16« bereits an der TU Berlin in Bereichen Mathematik und Physik. Aber nicht nur das: »Dazu übe ich gerade Python (die Computersprache), da diese mir hilft später in der Physik Simulationen zu coden, und da es cool ist.«

Mathematik, Spiele und Machine Learning
© Fraunhofer ITWM
Bei dieser Gruppe stand die Woche unter der Überschrift »Mathematik, Spiele und Machine Learning«.
Entwicklung eines Schrittzählers
© Fraunhofer ITWM
Diese Gruppe tüftelte an der Entwicklung eines Schrittzählers.

Entwicklung eines Schrittzählers

Ein Schrittzähler erkennt anhand von bestimmten Bewegungsmustern, ob der Träger sich bewegt. Dazu sind Sensoren notwendig, welche die Bewegung des Geräts im dreidimensionalen Raum analysieren. Doch diese Daten alleine reichen noch nicht aus, um die Schritte zu zählen, schließlich müssen verschiedene Bewegungsarten, wie Laufen und Autofahren, unterschieden werden. Außerdem muss er die Fortbewegung auch von kleineren Bewegungen unterscheiden, wie dem Zittern des Beins oder anderen kleineren Bewegungen.

Im Projekt wurde mithilfe eines ArduinoMikrokontrollers und eines Beschleunigungssensors ein Schrittzähler konstruiert. Der Fokus lag dabei auf der Auswertung der Sensordaten sowie der Frage, welche Bewegungsmuster als Schritt verstanden werden und welche nicht. Patrick Capraro aus dem Fachbereich Mathematik, AG Technomathematik der RPTU stand den Jugendlichen als Betreuer zur Seite.

Adam Fernand, Teilnehmer der Gruppe, leitete sein Motivationsschreiben so ein: »Nach dem Umzug mit meiner Familie in den Kreis Hersfeld-Rothenburg bin ich seit anderthalb Jahren Schüler einer MINT-EC-Schule. Trotzdem habe ich das Problem, dass mich der schulische Unterricht in den MINT-Fächern oft unterfordert. Von einigen Lehrern wird es glücklicherweise so gehandhabt, dass sie tolerieren, wenn ich in dieser Zeit Bücher lese und sie mich nur zum Mitmachen auffordern, wenn sonst niemand weiter weiß. Regelmäßig lasse ich mir auch den Raum der Roboter-AG aufschließen und arbeite an unserem Programmier-Projekt weiter. Lernen macht mir Spaß. Deshalb stelle ich es mir schön vor, mit anderen wirklich motivierten Menschen an einem Kurs über anwendungsorientierte Mathematik teilzunehmen.« Solch motivierte Gleichgesinnte hat er hoffentlich diese Woche getroffen.

 

Choreographien für Musikbrunnen

Der »International Fountain« im Zentrum von Seattle (USA) wurde zur Expo 1962 eingeweiht und ist ein sogenannter Musikbrunnen: Ursprünglich 117 Düsen – inzwischen sind es 274 aktive Düsen – erzeugen dabei Wasserstrahlen unterschiedlicher Stärke. Wenn der Wasserausstoß mit gleichzeitig abgespielten Musikstücken auf geeignete Weise synchronisiert wird, entsteht ein eindrucksvolles Schauspiel. Wegen des hohen Aufwands, eine zu ausgewählter Musik passende Choreographie zu erstellen, gibt es allerdings bisher nur fünf verschiedene Musikstücke mit einer Länge von maximal 12 Minuten, die auf entsprechende Weise aufbereitet wurden.

Aus dieser Situation entstanden die Fragen, ob man für ein gegebenes Musikstück auch automatisch beeindruckende Choreographien erzeugen kann – welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein und wie kann man eine gute Choreographie vom Computer generieren lassen? Mit diesen Fragen beschäftigte sich die Gruppe gemeinsam mit Betreuer Nicolas Dietrich vom Fachbereich Mathematik, AG Technomathematik der RPTU.

Teilnehmer Ole Fleischhauer hatte wahrscheinlich den kürzesten Anfahrtsweg der Gruppe, denn er besucht die MINT-EC-Schule Hohenstaufen-Gymnasium in Kaiserslautern: »Ich habe große Freude am Lösen komplexer mathematischer Probleme und nehme schon seit vielen Jahren regelmäßig an diversen Mathematik-Wettbewerben teil. Daher würde ich sehr gerne neue, fortgeschrittenere Methoden dazu lernen. Des Weiteren ziehe ich ein Studium im Fach Mathematik in Erwägung, kann mir aber die Arbeit eines Mathematikers noch nicht genau vorstellen. Insofern erhoffe ich mir, dass mir das Camp ein klareres Bild des Berufslebens ermöglicht.« Und wer weiß, vielleicht sieht man ihn dann an der RPTU oder als Kollege am Institut wieder.

Choreographien für Musikbrunnen
© Fraunhofer ITWM
In diesem Team standen Choreographien für einen Musikbrunnen im Fokus.
Die Gruppe beschäftigte sich mit dem Thema »Künstliche Intelligenz im Kontext von Reinforcement Learning«.
© Fraunhofer ITWM
Die Gruppe beschäftigte sich mit dem Thema »Künstliche Intelligenz im Kontext von Reinforcement Learning« und wie man sieht gab es zwischendurch auch Kaffee.

Künstliche Intelligenz im Kontext von Reinforcement Learning

Künstliche Intelligenz ist derzeit in aller Munde und wird immer häufiger bei Entscheidungsproblemen angewendet. Doch was versteckt sich wirklich hinter der Bezeichnung Künstliche Intelligenz? Dieses Projekt widmete sich dem Gebiet Reinforcement Learning (zu Deutsch bestärkendes Lernen), welches die Grundlage für einen Bereich der Künstlichen Intelligenz bildet. Hier gibt es einen Agenten, der sich in einer Umgebung zurechtfinden soll. Er erkundet seine Umgebung und soll von guten sowie schlechten Ereignissen, die er durch seine Aktionen hervorruft, selbständig lernen. Am Ende des Lernprozesses erhalten wir dann eine KI, die sich in dieser Umgebung gut zurechtfindet.

Ein gutes Beispiel ist Super Mario Bros. für das NES. Hier ist Mario der Agent, der sich in einer 2D-Welt befindet. Wenn wir unseren Agenten mitteilen, dass nach rechts laufen gut und zu sterben schlecht ist, so kann unser Agent lernen, ganze Level zu beenden. Dieses Lernverhalten ist von Menschen und Tieren inspiriert und wirkt dadurch sehr natürlich. In diesem Projekt lernten die Teilnehmenden die Kernidee dieser Lernalgorithmen kennen und es wurde eine einfache Künstliche Intelligenz unter Hilfestellung implementiert. Als Betreuer begleitete diese Gruppe Tobias Joosten aus dem Bereich Optimierung des Fraunhofer ITWM.

Mathe und buntes Programm

Die mathematikbegeisterten Schülerinnen und Schüler erlebten zudem wie der Arbeitsalltag einer/s Mathematikers/in aussehen kann. Am Ende der Woche bereiteten sie die Arbeitsergebnisse ihres Teams auf und präsentierten sie im Plenum.

Darüber hinaus erwartete die Jugendlichen ein buntes Programm. Sie bekamen eine exklusive Führung durch das mathematische Fraunhofer-Institut sowie den Fachbereich Mathematik der RPTU, wo sie sich über das Studium der Mathematik an der TU informierten. Außerdem konnten sie die Gegend in und um Kaiserslautern erkunden. An den Abenden wurde gemeinsam gegrillt oder Burger gegessen.