Hybrides Quantencomputing trifft auf Anwendungsfälle

BMWK-Projekt »EniQmA« zur systematischen Entwicklung hybrider Quantencomputing-Anwendungen

Industriell relevante Anwendungen im Bereich Quantencomputing (QC) sind fast immer hybrid – das heißt die klassischen Systeme kommen in Kombination mit Quantenschaltkreisen zum Einsatz. Variationelle Algorithmen spielen in der NISQ-Ära (Noisy Intermediate-Scale Quantum) eine zentrale Rolle, um Quantenvorteile zu erzielen. Das macht den Einsatz von Quantencomputing komplexer und meist entstehen die Anwendungen sehr ad hoc bzw. experimentell.

Im Projekt »EniQmA« (Ermöglichung hybrider Quantum-Anwendungen) arbeiten wir gemeinsam mit Partnern aus Forschung und Industrie daran, diese hybriden Vorgehen gezielt zu systematisieren. Wir unterstützen im abteilungsübergreifenden Projekt bei der strukturierten Entwicklung hybrider Quantenanwendungen durch Software, Methoden und Werkzeuge. Wir helfen bei der Orchestrierung klassischer Software und Quanten-Software. Dafür schafft unser EniQmA-Team ein Set an Tools für den gesamten Lebenszyklus hybrider Quantenanwendungen.

Quantencomputing in der Industriepraxis anwendbar machen

Im Projekt geschieht das anhand konkreter industrieller Use Cases. Wir betrachten zunächst große Anwendungsfälle:

  • Industrielle Risikoanalyse
  • Auffälligkeitsdetektion in Produktionsprozessen

Wir adressieren in der breiten Ausrichtung der Anwendungsfälle zudem die Bereiche Klima- und Umweltforschung, Verkehr, Versicherungs- und Finanzwesen, Bauwesen und Geologie sowie Produktion und Automatisierung.

Expertise aus dem Fraunhofer ITWM

2019 ist die Fraunhofer-Gesellschaft eine strategische Partnerschaft mit IBM zum Thema Quantencomputing eingegangen, die zur Gründung eines Netzwerks von Kompetenzzentren für Quantencomputing führte. Wir als Fraunhofer ITWM und das Fraunhofer FOKUS sind Teil dieses Netzwerkes. Seitens unseres ITWM-Teams bringen Forschende aus den Bereichen »High Performance Computing (HPC)«, »Finanzmathematik« und »Bildverarbeitung« ihre Expertise mit ein.

Besonders sind die unsere Kenntnisse zu Simulation, Optimierung, HPC und Maschinelles Lernen gefragt. Als Basis aus bisheriger Forschung dienen beispielsweise auch unser Domänenwissen aus unseren Projekten zur Flexibilisierung der Energiemärkte oder Risikomanagement in der Versicherungswirtschaft.

Struktur des Lifecycles Hybrider Quantenanwendungen
© Fraunhofer ITWM
Struktur des Lifecycles Hybrider Quantenanwendungen

Das in dem Projekt EniQmA gewonnene Wissen ermöglicht es Fraunhofer ein ganzheitliches Angebot zu Quantencomputing auszubauen. Interessierte Unternehmen können sich in Zukunft an Fraunhofer und die Quantencomputing-Kompetenzzentren wenden, um sich umfassend zu den verschiedenen Aspekten der hybriden QC-Algorithmen beraten zu lassen und ihre eigene industrielle QC-Forschungsprojekte voranzutreiben.
 

EniQmA-Softwareumgebung

In dem Projekt erarbeiten wir methodische Ansätze für hybride, klassische / Quanten-Algorithmen. Dazu gehört zum Beispiel Entscheidungsunterstützung (Decision Support) bei der Frage, welcher Teil der Anwendung auf Quantenrechner ausgelagert wird und welche Rechnerarchitekturen, Compiler etc. dafür am besten geeignet sind. Bei dem Design eines solchen Systems setzen wir auf bereits bekannte Lösungen, die im Rahmen des PlanQK-Projektes erarbeitet worden sind auf. Im Projekt PlanQK haben einige unserer Projektpartner, wie zum Beispiel Fraunhofer FOKUS, Universität Stuttgart, Deutsche Bahn oder Freie Universität Berlin mitgearbeitet und somit den Grundstein für unser Projekt »EniQmA« gelegt. Darüber hinaus evaluieren wir verschiedene klassische Optimierer für die hybriden variationellen Algorithmen sowie mögliche Voroptimierungen. 

Anwendungsfall: Komplexe Prozesse in der Produktion mit Auffälligkeitsdetektion und QC optimieren

In modernen Produktionsprozessen fallen sehr große Datenmengen an. Diese sollen genutzt werden, um Prozessschritte zu optimieren, die Qualitätssicherung stärker zu automatisieren und mit dem Herstellungsprozess zu verzahnen, Bauabweichungen zu verringern und Nonconformities zu vermeiden. In Projekten mit verschiedenen Unternehmen haben wir in der Abteilung »Finanzmathematik« bereits Softwarelösungen entwickelt, die bei Detektion von Auffälligkeitenunterstützen. Diese erlaubt es, in großen Datenmengen – in der Vergangenheit meist Abrechnungsdaten – verschiedene Typen von Auffälligkeiten zu finden und zu untersuchen.

Die Auffälligkeitserkennung in der Produktion ermöglicht es, frühzeitig Verbesserungsmaßnahmen für einzelne Arbeitsschritte oder Teilprozesse zu identifizieren und so den Produktionsprozess zu optimieren. Dazu analysieren wir Prozessdaten wie Bilddaten oder Zeitreihen, um Abweichungen und Schwachstellen in der Produktion aufzudecken. Dabei fallen große Datenmengen an, sich bisher einer systematischen Analyse entziehen. In Zukunft sollen Quantenalgorithmen diese Auffälligkeiten unterstützen, um beispielsweise Fehler in Produktionsprozessen zu erkennen. Aktuell nutzen wir bereits Methoden des Maschinellen Lernens (ML), Künstlicher Intelligenz (KI) und statistischen Analyse.

Das sogenannte Quantum Machine Learning (QML) verspricht, Algorithmen zu beschleunigen und zuverlässiger zu machen. Zunächst definieren wir Anforderungen und Schnittstellen für den Einsatz hybrider Quantenalgorithmen zur Anomalieerkennung in Produktionsprozessen. Auf dieser Grundlage identifizieren wir geeignete Teilprobleme für eine prototypische Lösung auf QC, implementieren dann die erforderlichen Algorithmen und vergleichen sie mit ML- oder statistischen Methoden.

Anwendungsfall: Fortschritt im Flugzeugbau durch Quanten-unterstützte Analyse von Verbundwerkstoffen

Der moderne Flugzeugbau stützt sich auf die Entwicklung von Materialien, die auf spezifische Bedürfnisse zugeschnitten sind. Im Mittelpunkt steht der Einsatz von Verbundwerkstoffen, die ein ideales Gleichgewicht von Festigkeit, Gewicht und Korrosionsbeständigkeit bieten. Solche Verbundstoffe verbessern die Leistung des Flugzeugs und fördern die Energieeffizienz – im Einklang mit dem Ruf nach nachhaltigerer Luftfahrt.

Der Prozess der Materialentwicklung kann durch numerische Simulationen beschleunigt werden. Mithilfe von mathematischen Modellen und Computerprogrammen können Ingenieur:innen Materialstrukturen virtuell testen und optimieren. Dies führt zu bemerkenswerten Einsparungen sowohl bei Zeit als auch bei Kosten. Aufgrund der Komplexität dieser Simulationen können jedoch die Rechenkosten erheblich steigen, das erfordert effiziente Lösungen.

Obwohl die Quantencomputertechnik eine vielversprechende Möglichkeit bietet, ist ihre direkte Anwendung in numerischen Simulationen herausfordernd. Stattdessen konzentriert sich unsere Forschung auf das Entwickeln von Quantenmodellen basierend auf DNS(Domain Name System)-Daten, um das effektive Materialverhalten effizient zu simulieren.

Vier Hauptgründe motivieren diesen Ansatz:

  1. Überlegene Leistung von Quantenmodellen gegenüber traditionellen Netzwerken bei begrenzten Daten
  2. Robustheit von Quantenmodellen gegenüber Störungen
  3. Heutige Quantencomputer können diese Quantenstrukturen ausführen.
  4. Umgehung der Umwandlungsherausforderung von klassischen zu Quantendaten durch Vordefinierung von Datenembeddings

Unser Ziel ist es, den Sektor des Flugzeugbaus zu verändern. Indem wir unsere theoretischen Fortschritte direkt mit praktischen Anwendungen koppeln, sehen wir eine Zukunft, die durch erhöhte Präzision, Effizienz und Nachhaltigkeit im Flugzeugdesign und -betrieb geprägt ist.

Projektlaufzeit und Förderung

Das Projekt ist auf drei Jahre angelegt und läuft von August 2022 bis Juli 2025. EniQmA wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) im Rahmen des Programms »Quanten-Computing – Anwendungen für die Wirtschaft« gefördert.


Das Gesamtvolumen des Projekts beträgt 9,3 Mio € (davon 6,6 Mio € Fördermittel).